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Untätigkeitsklage: Ihr Rechtsmittel gegen die Ausländerbehörde
01.11.2024 (letzte Änderung)

Untätigkeitsklage: Ihr Rechtsmittel gegen die Ausländerbehörde

In den letzten Jahren häufen sich die Beschwerden über die Untätigkeit der Ausländerbehörden. Die Anträge und Anfragen bleiben oft ohne Antwort oder werden mehrere Monate oder sogar Jahre lang bearbeitet. Die Situation um einige Ausländerbehörden kann als sehr schlecht bis katastrophal bezeichnet werden. Das Schweigen der Behörden vermittelt den Eindruck, dass die Behörden überhaupt nicht existieren. Die Untätigkeit mancher Ausländerbehörden ist auf strukturelle Probleme, insbesondere auf Personalmangel, zurückzuführen. Möglicherweise steckt auch ein politisches Kalkül dahinter.

Bei allem Verständnis für die Auslastung der Behörden sprengt das wirklich alle Grenzen. Denn die ausländischen IT-Spezialisten, Ärzte, Ingenieure und ihre Familienangehörigen müssen mehrere Monate lang auf ihre Blau Karten, Aufenthaltserlaubnisse oder Zustimmungen für den Familiennachzug warten. Die Fachkräfte bekommen lediglich Fiktionsbescheinigungen und müssen sich damit begnügen.

Die Eröffnung eines Bankkontos ist ohne gültige Aufenthaltserlaubnis unmöglich. Ohne Aufenthaltserlaubnis ist die Einladung eines Angehörigen nach Deutschland kaum möglich, da das Konsulat eine gültige Aufenthaltserlaubnis verlangt. Eine gültige Aufenthaltserlaubnis wird auch für die Verpflichtungserklärung verlangt. Geschäftsreisen ins Ausland sind mit einer Fiktionsbescheinigung oft problematisch, da diese Bescheinigung oft nicht als gleichwertig mit einer regulären Aufenthaltserlaubnis angesehen wird. Ausländische Fachkräfte ohne gültige Aufenthaltserlaubnis stoßen in vielen Bereichen des täglichen Lebens auf Schwierigkeiten, wie beispielsweise bei der Wohnungssuche oder bei der Arbeitsaufnahme.

Die langen Wartezeiten auf Aufenthaltserlaubnisse stellen ein ernstzunehmendes Problem dar, das gravierende Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt und die Wirtschaft hat. Lange Wartezeiten schrecken diese Fachkräfte ab. Die Abwanderung von Fachkräften (insbesondere von IT-Spezialisten) in andere Länder wie Großbritannien, Niederlande oder Spanien, die schnellere und unbürokratischere Verfahren anbieten, ist eine direkte Folge dieser langen Wartezeiten.

Außergerichtliche Maßnahmen

Als ersten Schritt empfehle ich, die Angelegenheit zunächst außergerichtlich zu klären. In den meisten Fällen lässt sich eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden.

Die Notwendigkeit eines Anwalts bei der Antragstellung ist von Fall zu Fall unterschiedlich. In komplizierten Fällen ist die Einschaltung eines Anwalts unumgänglich. Wenn Sie beruflich oder privat stark eingespannt sind, kann ein Anwalt die komplette Vertretung übernehmen und Ihnen Zeit sparen. Schließlich kennen Anwälte für Migrationsrecht die rechtlichen Regeln und Verfahren besser als Sie.

Sollte es nach drei Monaten nach der Antragstellung keine Rückmeldung von der Behörde geben, empfiehlt sich, schriftlich nach dem Stand des Antrags zu fragen. Bitte setzen Sie in Ihrem Schreiben eine konkrete Frist für die Antwort. Bleibt die Behörde weiterhin untätig, wiederholen Sie Ihre Anfrage in regelmäßigen Abständen.

Muster 1

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Schreiben vom [Datum] habe ich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Bis heute habe ich noch keine Rückmeldung und keine Eingangsbestätigung erhalten.

Ich bitte Sie daher höflich, mir bis zum [Datum] mitzuteilen, in welchem Bearbeitungszustand sich mein Antrag befindet. Sollten Sie weitere Unterlagen benötigen, teilen Sie mir bitte mit.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen

Mit freundlichen Grüßen,

[Vorname Name]

Muster 2

Sehr geehrte Damen und Herren,

unter Bezugnahme auf mein Schreiben vom [Datum] bitte ich, mir kurz schriftlich mitzuteilen, wie der gegenwärtige Sachstand des Verfahrens ist. Die aktuellen Lohnabrechnungen liegen bei. Teilen Sie mir bitte bis zum [Datum] mit, ob Sie noch weitere Unterlagen benötigen.

Mit freundlichen Grüßen,

[Vorname Name]

Muster 3

Sehr geehrte Damen und Herren,

am [Datum] habe ich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt. Ich habe weder eine Eingangsbestätigung erhalten noch haben Sie auf meine Schreiben vom [Datum] und vom [Datum] reagiert. Sollte ich bis zum TEXT nichts von Ihnen hören, werde ich mich gezwungen sehen, eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zu erheben. Ein weiteres Abwarten ist für mich unzumutbar. Ich würde es bedauern, wenn es zu diesem Schritt kommen würde.

Mit freundlichen Grüßen,

[Vorname Name]

Untätigkeitsklage

Sollte die Einbürgerungsbehörde Ihre schriftlichen Anfragen wiederholt ignorieren, kann eine Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) eingereicht werden, um die Behörde zu einer Entscheidung zu zwingen. Die Untätigkeitsklage muss zulässig und begründet sein.

Zulässigkeit der Untätigkeitsklage

Um die Klage einzureichen, müssen Sie einige Formalitäten beachten. Die Klage muss beim zuständigen Gericht eingereicht (§ 52 VwGO) und unterschrieben werden (§ 81 Abs. 1 S. 1 VwGO). Außerdem müssen Kläger, Beklagter (Behörde) und der Grund für die Klage klar benannt werden (§ 82 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten (§ 82 Abs. 1 S. 2 VwGO). Ist die Sache Spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) wird beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Ist das nicht der Fall, wird eine sog. Bescheidungsklage erhoben (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Es wird beantragt, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Ob die Sache spruchreif ist, hängt von der konkreten Norm ab, auf die der begehrte Aufenthaltstitel gestützt wird.

Bei einer reinen Muss-Vorschrift liegt Spruchreife in der Regel dann vor, wenn, alle relevanten Tatsachen geklärt sind, die Rechtslage eindeutig ist und keine Ermessensentscheidung erforderlich ist. Bei Muss-Vorschriften werden Begriffe wie "muss", "ist", „wird“, "hat zu" verwendet (z.B. Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen zu erteilen, § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Ob eine Sache im Falle einer Soll-Vorschrift spruchreif ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Vorschrift und dem Umfang des behördlichen Ermessens ab.

Kann-Vorschriften räumen dem Entscheidungsträger den größten Ermessensspielraum ein. In diesem Fall wird eine Bescheidungsklage erhoben. Die Kann-Vorschrift enthält Begriffe wie "kann", "ist berechtigt", "darf" (z.B. Die Chancenkarte kann einem Ausländer erteilt werden, § 20a AufenthG). Auch wenn eine Vorschrift grundsätzlich einen Ermessensspielraum vorsieht, kann dieser in bestimmten Fällen auf Null reduziert sein. Dann liegt ebenfalls Spruchreife vor.

Vor dem Verwaltungsgericht brauchen Sie keinen Anwalt. Sie können das Verfahren selbst führen.

§ 75 Satz 2 VwGO bestimmt eine Frist für die Erhebung der Untätigkeitsklage. Nach dieser Vorschrift kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden. In besonderen Fällen kann die Frist kürzer sein.

Begründetheit der Untätigkeitsklage

Damit eine Untätigkeitsklage erfolgreich ist, müssen folgende materielle Kriterien erfüllt sein:

  • Sie haben einen vollständigen Antrag gestellt, der alle erforderlichen Unterlagen enthält.
  • Alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis liegen vor.
  • Die gesetzliche Frist von mindestens drei Monaten seit Antragstellung ist abgelaufen. In der Praxis empfehle ich, etwas länger zu warten.

Die Behörde hat über den Antrag nicht entschieden und reagiert nicht auf Ihre Anfragen. Es gibt keinen rechtlich oder tatsächlich nachvollziehbaren Grund für die Untätigkeit der Behörde. Personalmangel oder eine hohe Arbeitsbelastung rechtfertigen keine Verzögerung.

Muster 4

An das Verwaltungsgericht
[Gericht]

Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO

In der Verwaltungsstreitsache

[Vorname NAME]
geb. am [Geburtsdatum]
wohnhaft: [Adresse]

– Kläger –

gegen

[Beklagte]
Ausgangsbehörde (§ 78 Abs. 1. Nr. 1 HS. 2 VwGO)
[Behörde]

– Beklagte –

wegen Blau Karte EU

erhebe ich Klage und stelle folgende Anträge:

I. Die Beklagte wird im Wege der Untätigkeitsklage verpflichtet, dem Kläger eine Blau Karte gem. § 18g AufenthG zu erteilen.
II. Hilfsweise: die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom [Datum] binnen einer Frist von acht Wochen nach Zustellung des Urteils unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ein Zwangsgeld an den Beklagten nicht unter 25.000 € festgesetzt, hilfsweise Zwangshaft angeordnet.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gegen die Übertragung auf den Einzelrichter im Hauptsacheverfahren bestehen keine Bedenken. [Bedenken angeben, falls gegeben]

BEGRÜNDUNG:

A.

Der Kläger ist [Staatsangehörigkeit] Staatsangehöriger, der am [Datum] mit einem nationalen Visum ins Bundesgebiet einreiste. Vor Ablauf des Visums beantragte er bei der Beklagten die Erteilung einer Blauen Karte, woraufhin ihm eine Fiktionsbescheinigung erteilt wurde. Der Kläger arbeitet bei der Firma [Firma] im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses als IT-Fachkraft. Sein monatliches Bruttolohn beträgt [Bruttolohn] €.

Beweis: Arbeitsvertrag (als Anlage)

Auf die Sachstandanfrage des Klägers vom [Datum] hat die Beklagte nicht reagiert.

Beweis: Schreiben vom [Datum] (als Anlage)

Mit Schreiben vom [Datum] übersandte der Kläger der Beklagten seine Lohnabrechnungen und fragte nach dem jeweils aktuellen Stand des Verfahrens.

Beweis: Schreiben vom [Datum] (als Anlage)

Auch auf diese schriftliche Sachstandanfrage hat die Beklagte nicht reagiert.

Die beantragte Blau Karte wurde bis heute, also drei Monate nach Antragseingang bei der Beklagten, noch nicht erteilt. Auf Grund dessen war nunmehr Untätigkeitsklage geboten. Ein weiteres Abwarten ist für den Kläger unzumutbar, weil berufsbedingte Geschäftsreisen ins Ausland mit einer Fiktionsbescheinigung problematisch sind. Diese Bescheinigung wird im europäischen Ausland nicht als gleichwertig mit einer regulären Aufenthaltserlaubnis angesehen.

B.

Die Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet.

I.

Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Zuständig ist gem. § 52 Nr. 5 VwGO das Verwaltungsgericht [Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat]. Eines Vorverfahrens gem. § 68 VwGO bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, da über den Antrag des Klägers vom [Datum] ohne zureichenden Grund in angemessener Frist bisher sachlich nicht entschieden wurde, § 75 S. 1 VwGO. Außerdem entfällt das Vorverfahren nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO (nur für Bayern). Die gem. § 75 S. 2 VwGO erforderliche Frist wurde gewahrt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.

II.

Die Verpflichtungsklage ist auch begründet.

Es liegt kein sachlicher Grund dafür vor, dass der Antrag des Klägers von der Beklagten noch nicht verbeschieden wurde. Die Beklagte wird aufgefordert, die Gründe anzugeben, warum über den Antrag nicht entschieden worden ist. Zu den Gründen wird der Kläger im Einzelnen Stellung nehmen, sobald die Beklagte diese dargelegt hat.

Die materiell-rechtlichen besonderen Voraussetzungen für die Erteilung der Blauen Karte sind erfüllt (§§ 18, 18g AufenthG). Alle Nachweise wurden bereits vorgelegt. Ergänzend sende ich die letzte Lohnabrechnungen.

Der Kläger verfügt über einen anerkannten und gleichwertigen ausländischen Abschluss, der ihn zu einer qualifizierten Beschäftigung befähigt. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist nicht erforderlich. Seit dem [Datum] befindet sich der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Firma [Firma] als Senior Software Engineer. Er erhält ein Gehalt in Höhe von mindestens 50 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung.

Auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Lebensunterhalt ist gesichert. Der Kläger nimmt keine sozialen Leistungen aus den öffentlichen Mitteln in Anspruch. Ein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz ist vorhanden. Ein ausreichender Wohnraum ist ebenfalls vorhanden. Ausweisungsgründe liegen nicht vor (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).

Aus den vorgenannten Gründen ist die Beklagte zu verpflichten, die Blau Karte zu erteilen.

[Vorname Name] [Ort, Datum]
[Unterschrift]

Kosten

Die Gerichtsgebühr beträgt 483,00 Euro. Wird der Kläger durch einen Anwalt vertreten, beträgt die anwaltliche Verfahrensgebühr 973,66 Euro. Nimmt der Rechtsanwalt an einer Gerichtsverhandlung teil, fällt auch die Terminsgebühr i.H.v. 876,79 Euro + Reisekosten an.

Grigor Eksuzian - Russischsprachiger Rechtsanwalt

Grigor Eksuzian
- Rechtsanwalt -

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