Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104с AufenthG)
Am 2. Dezember 2022 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines sogenannten Chancen-Aufenthaltsrechts (§ 104c AufenthG) beschlossen.
Das Chancen-Aufenthaltsrecht, gesetzlich verankert in § 104c des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), bietet Geduldeten in Deutschland eine neue Perspektive und Aussichten auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Es handelt sich um eine einmalige Aufenthaltserlaubnis von 18 Monaten, die bestimmten Voraussetzungen unterliegt.
Das Gesetz richtet sich in erster Linie an gut integrierte Asylbewerber, denen aus bestimmten Gründen kein Schutz gewährt wird und die aus bestimmten Gründen nicht aus dem Land abgeschoben werden können. Dem Gesetz zufolge sollen Ausländer, die bereits seit vielen Jahren eine Duldung besitzen, nun bessere Chancen auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland haben. Für sie muss die bisherige Praxis der wiederholten Ausstellung von Duldungen beendet werden. Nun können diese Personen unter bestimmten Voraussetzungen ein gesetzliches Bleiberecht erhalten. Die Chancen-Aufenthaltserlaubnis bietet die Möglichkeit, legal in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Der Erwerb der Aufenthaltserlaubnis erleichtert die Integration in die deutsche Gesellschaft.
§ 104c AufenthG ist eine Soll-Vorschrift. Die Ausländerbehörde wird bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Chancen-Aufenthaltserlaubnis erteilen. Nur in atypischen Fällen kommt eine Ablehnung in Betracht. Das Chancen-Aufenthaltsrecht muss aktiv beantragt werden.
Das Gesetz verlangt nicht, dass der Ausländer bei der Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verfügt, eine nachgewiesene Identität hat, einen Reisepass besitzt, Sprachkenntnisse nachweist oder ein entsprechendes Einreisevisum vorlegt. Vielmehr soll die 18-monatige Gültigkeitsdauer des Chancen-Aufenthalts dazu genutzt werden, diese Voraussetzungen zu erfüllen und anschließend eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25a und 25b AufenthG zu erhalten. Um den Inhabern der Aufenthaltserlaubnis die Erfüllung ihrer Passpflichten zu ermöglichen, wird der Chancen-Aufenthaltstitel als Ausweisersatz bzw. als Passersatz erteilt. Dies soll den Ausländern zugute kommen, die keinen Ausweis besitzen.
Voraussetzungen
Duldung
Der Antragsteller muss zum Zeitpunkt der Beantragung der Chancen-Aufenthaltserlaubnis und spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag eine Duldung besitzen. Liegt ihm dieses Dokument nicht vor, muss er einen rechtlichen oder tatsächlichen Grund für die Aussetzung der Abschiebung haben, der Grundlage für die Erteilung einer Duldung ist.
Aufenthaltsdauer
Eine Chancen-Aufenthaltserlaubnis wird einem Ausländer erteilt, wenn er sich am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat. Kurze Aufenthaltsunterbrechungen von bis zu drei Monaten, die nicht mit einer Veränderung des Lebensmittelpunkts einhergehen, werden nicht berücksichtigt. Bei der Duldung „für Personen unbekannter Identität“ wird die Aufenthaltsdauer in voller Höhe angerechnet.
Voraussetzungen §§ 25a und 25b AufenthG
Die Chancen-Aufenthaltserlaubnis soll es dem Ausländer ermöglichen, sich vollständig zu integrieren und anschließend die Voraussetzungen für eine Integrationsaufenthaltserlaubnis nach §§ 25a und 25b AufenthG zu erfüllen. Daher prüft die Ausländerbehörde bei der Beantragung der Chancen-Aufenthaltserlaubnis stets die Voraussetzungen der §§ 25a und 25b AufenthG. Steht bereits bei der Antragstellung fest, dass die Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25a und 25b AufenthG nicht erteilt werden kann (z. B. aufgrund einer Vorstrafe), wird der Antrag auf Erteilung der Chancen-Aufenthaltserlaubnis abgelehnt.
Bekenntnis zu einer freiheitlichen demokratischen Ordnung
Voraussetzung ist ferner, dass sich der Ausländer zur freiheitlichen demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Dafür muss er sein Bekenntnis schriftlich bestätigen. Die Ausländerbehörden prüfen sorgfältig, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Antragsteller nicht der demokratischen und rechtlichen Ordnung des Landes verpflichtet fühlt.
Keine Vorstrafen
Der Ausländer darf nicht wegen einer im deutschen Hoheitsgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein. Geldstrafen bis zu einer Gesamthöhe von 50 Tagessätzen werden jedoch nicht berücksichtigt. Stehen Straftaten im Zusammenhang mit der Einreise und dem Aufenthalt (§§ 95 ff. AufenthG), werden Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen nicht berücksichtigt. Liegt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit vor, wird das Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung im Strafverfahren ausgesetzt.
Gültigkeit und Verlängerung
Mit der Chancen-Aufenthaltserlaubnis hat der Ausländer 18 Monate Zeit, sich zu integrieren und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25a und 25b AufenthG zu erfüllen. Mit dieser Aufenthaltserlaubnis kann er arbeiten, Sprachschule und Integrationskurse besuchen. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist nicht möglich. Danach ist nur noch die Erteilung einer Integrationsaufenthaltserlaubnis nach §§ 25a und 25b AufenthG möglich. Das bedeutet, dass der Ausländer zum Zeitpunkt des Ablaufs der Aufenthaltserlaubnis über ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt, Sprachkenntnisse, eine festgestellte Identität und einen Reisepass verfügen muss. Andernfalls erhält er keine Aufenthaltserlaubnis für integrierte Personen.
Gründe für die Ablehnung
Die Aufenthaltserlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller wiederholt falsche Angaben gemacht hat oder die Ausländerbehörde über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und dadurch seine Abschiebung verhindert hat. Wenn der Ausländer jedoch mit der Ausländerbehörde nicht kooperiert und keine angemessenen Schritte unternimmt, um einen Reisepass zu erhalten, und sich auch nicht an der Beseitigung von Ausreisehindernissen beteiligt, ist ein solches Verhalten kein Grund für die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Täuschungshandlung muss vom Ausländer selbst vorsätzlich begangen worden sein. Falsche Angaben seiner Eltern werden ihm nicht zugerechnet, es sei denn, der volljährige Ausländer bestätigt diese Falschangaben selbst.
Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige
Ehegatten eines Ausländers und mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende unverheiratete minderjährige Kinder erhalten auch dann eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie nicht seit 5 Jahren in Deutschland gelebt haben. Gleiches gilt für ein volljähriges unverheiratetes Kind, wenn dieses zum Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland minderjährig war. Ein großer Vorteil für Familienangehörige besteht darin, dass sie die fünfjährige Aufenthaltsdauer, die für den Stammbewerber gilt, nicht selbst nachweisen müssen. Es reicht aus, wenn das Familienmitglied, das den Anspruch auf den Chancen-Aufenthalt hat, diese Voraussetzung erfüllt.
Die konkrete Umsetzung des Chancen-Aufenthaltsrechts kann komplex sein und ist von individuellen Umständen abhängig. Daher ist eine individuelle Beratung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt oder durch eine anerkannte Beratungsstelle dringend empfohlen.